Unsere Freunde, unsere Feinde

„Unsere Freunde, unsere Feinde“

FREUND

Papier ist bekanntlich geduldig. Informationen können gespeichert und auch wieder abgerufen werden. Analog und schnell auf einer Serviette oder einem Zettel. Oft zu finden als Handzettel, Notizzettel wird dieser zum Schmierzettel, welcher sich in seiner Häufung vom Freund zum Feind geschickt und unbemerkt wandelt. Übereinander gestapelt, zerknüllt in der Tasche ruhend weilt er in der Stille, um gefunden zu werden ohne dem Besitzer einen Hinweis zu geben, wo der Ort der so dringenden Information liegt. Die Nachricht entflieht den Gedanken, da man sich in der Sicherheit gewogen hat diese wieder abzurufen – doch erst nach verzweifeltem Haare raufen und zu einem verspäteten Zeitpunkt gibt der Zettel sein Wissen wieder preis. Plötzlich spricht man vom Verzetteln, indem der Besitzer durch seine schlecht strukturierte Informationsspeicherung in eine ausweglose Situation geraten ist. Wer solche Freunde hat braucht keine Feinde und dennoch lieben wir alle die kleinen gelben Zettel rund um unsere Bildschirme als letzte analoge Informationsbastion vor der digitalen Vormachtstellung.

FEIND
Was passiert mit unseren gespeicherten Daten nach unserem Ableben? Wer soll diese Unmengen an Gigabytes durchleuchten? In unserem Alltag ist die Datenspeicherung ein unabkömmlicher Vorgang. Schon beim Schreiben dieses Textes werde ich zum Schluss, oder manchmal besser mittendrin, auf „save“ gehen um diese Information abzulegen. Man könnte auch sagen, dass wir es hier mit einem Messie-Syndrom zu tun haben im Glauben daran, alles wieder abrufen zu müssen. Ein Datensumpf, welcher auch bei der besten Ordnung nach Datum, Name oder Projekt eine unglaubliche Anhäufung auf unserem Server darstellt. Jedoch nicht genug! Denn wir haben ja Angst um unsere Daten und speichern diese automatisch auf einem noch größeren Server irgendwo auf dieser Welt in gigantischen klimatisierten Hallen mit Millionen von anderen und fühlen uns ach so sicher, dass niemand diese einsehen kann. Oder doch? Und was passiert danach? Die Fotos von der letzten Reise – nur digital. Projekte – digital. Omas Kochrezepte – auch schon digitalisiert und in einem Ordner, den ich leider derzeit nicht finden kann. Dennoch sind wir glücklich, verdammt zu sein und empfinden es als Erleichterung wenn wir diese Daten schnell versenden können. Die armen Nachkommen dieser Daten – oder werden sie „delete all“ drücken?

domus